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Heimat

Heimat

Das Mädchen mit den Locken hat gefragt. Gerne antworte ich, weil es mich umtreibt.

Wenn du an die Heimat und was sie für dich bedeutet denkst, wann hast du dich am weitesten entfernt gefühlt?

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Früher war Heimat meine Kleinstadt. Ich kannte nichts anderes. Ein bisschen Europa zwar, Schulausflug und das große Abenteuer mit der Freundin im Alter von sechszehn nach Paris. Dann war die Schule vorbei und es ging nach Südafrika. Das Gefühl, dass zwölf lange Flugstunden zwischen mir und dem mir Bekannten liegen, die hat mein Herz zusammengeschnürt und mich Entfernung spüren lassen. Körperlich konnte ich die tausende von Kilometer Entfernung und die Ozeane, die zwischen mir und dort liegen, spüren. Heimatlosigkeit. Selbst wenn ich gewollt hätte, so einfach konnte ich nicht zurück.
Mit der Zeit legte sich das Gefühl. Das fremde Land wurde vertraut. Viel vertrauter als einstige vermeintliche Heimat. Und als die Tage bis zur Abreise gezählt waren, wurde mir wieder mulmig. Wenn ich mich so lange physisch entfernt hatte, passte ich dann noch ins alte Heimatland? Diese Erfahrung hat mich geprägt. Das Wissen, dass ich mir eine Heimat schaffen kann, sie nicht gebunden ist an Orte.

Wie hat es sich angefühlt, nach der  Abwesenheit zurückzukehren?

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Nach kurzer Abwesenheit nach Hause kommen – und mein jeweiliges zu Hause das ist Heimat – ist ein gutes Gefühl. Wieder angekommen sein, Vertrautes um mich haben.
Ich mache mir die Orte vertraut und damit zur Heimat. War ich lange Zeit weg, fremdle ich. Fühle mich wie deplatziert. Etwas passt nicht. Ist der Ort nicht richtig oder bin ich hier nicht richtig? Hat sich die Umgebung verändert oder ich mich?
Es drückt noch, ist zu eng oder zu weit geworden. Die Zeit macht dann, dass ich und der Ort an dem ich bin, wieder zusammenpassen.

Mein Ort der Kindheit, früher einmal Heimat, ist mir heute so fremd. Die Ecken noch vertraut, die Straßenzüge – aber mein zu Hause, Heimat? Nein, das ist es nicht mehr.

Hast du woanders als an dem Ort, an dem du aufgewachsen bist, eine Heimat gefunden? 

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In München zu Hause. Seit über sechs Jahren. So fremd schien mir anfangs alles. Dirndl, Weißwürste und Lederhosen hatte ich unter Deutschland-Klischees verbucht, die nur für Japaner oder Amerikaner aufgeführt werden. Oktoberfest galt für mich wie Ballermann als eine Erfindung des Trash-Fernsehens. Und dann… War ich da. Mittendrin. Und es fühlte sich gut an. Heimatlich. Zugehörig. Nach und nach, manchmal gab es da diese Momente da scheint es, als hätte es nie etwas anderes gegeben. Das Dirndl, das Weißwurstfrühstück. Noch nicht passgenau und maßgeschneidert, aber fühlt sich gut an.

Die zweite Heimat ist Berlin. Obwohl Besuchsstadt für Studienzwecke ist sie zu meiner Ersatzheimat geworden. Meine Geliebte. Sie wird mir immer vertrauter und mit jedem längeren Besuch mehr.

Was macht diesen Ort zu deiner Heimat?

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Ein paar vertraute Orte, Ankerpunkte. Ein gutes Cafe, ein schöner Buchladen, ein Gemüsehändler – sind diese gefunden, dann bin ich zu Hause. Werden die Straßenzüge mir langsam bekannter, suche ich nicht mehr orientierungslos nach der richtigen Abzweigung zur Wohnung – dann ist es Heimat. Von dort aus, kann ich dann erkunden und entdecken. Mit der Sicherheit des Vertrauten im Rücken, kann ich Neues entdecken. Wenn es zuviel wird, zurückkehren an die mir vertraut gemachten Ecken.
Und das überall auf der Welt.
Gut ist es auch immer, den vertrauten Menschen bei sich zu haben. Da begleitet mich das Heimatgefühl allerorts mit hin.

Umgibst du dich, während du weg bist, mit etwas, was dich an die Heimat erinnert?

087Kein spezielles Kissen, keine Bilder. Aber immer ein Buch. Lesen ist mir Heimat. Wo ich auch bin, wenn ich mich fern fühle, sind da Seiten und eine Geschichte. Bedruckte Blatt Papier, die mir ein zu Hause sind. Musik ebenso. Lieder, die ich verknüpft habe mit wohlfühlen. Einmal die Play-Taste gedrückt und das Gefühl ist da. Augen zu und welche Rolle spielt der Ort, an dem ich bin.
Oder eben den Lieblingsmenschen. Ist alles drei gegeben, ist die Umgebung sowieso zweitrangig. Und ich: Angekommen.

View Comments (8)
  • Schön ist Deine Beschreibung von Heimat. Und irgendwie triffen es diese Worte sehr gut, auch für mich. Seit Nun 14 Jahren in Hamburg ist meine alte Heimat für mich zu eng, zu beengend, zu fremd. Die Stdat mit em Hafen ist es nun. Ob für immer, wer weiß.
    Ein gutes Cafe, ein schöner Buchladen, ein Gemüsehändler sind vorhanden – gute Vorraussetzungen!

    Ich wünsche Dir einen gemütlichen Sonntag mit genussvollen Momenten, ob mit Süß oder Buch.
    Liebste Grüße
    Katja

  • Dir auch einen schönen Sonntag. Ich sitze über den Studienbüchern und einem Vortrag. Eigentlich. Bis dahin prokrastiniere ich fleißig vor mich hin. Und Belohnungs-Backen ist auch schon eingeplant.
    Liebe Grüße, Stephanie

  • Gebacken wurde gestern. Streuselkuchen nach dem Rezept der Oma.
    Was gibt es bei Dir?
    Belohnung vor dem Lernen? Gut so!

  • dann ist gut. Bin gespannt, was Du machst. Und was macht die Hochzeits Bachelor-Thesis. Oder ist das eine ganz falsche Frage? Fragt eine, die prokrastiniert und prokrastiniert über ihrer Masterarbeit. Schönen Sonntag Dir und guten Urlaub.

  • wie schön, noch einen anderen eindruck und persönlichen blick dahinter, als du eh schon immer wieder aufblitzen lässt, zu bekommen!

  • Oh oh, da fragst du was… Die Bachelorthesis ist schon längst abgegeben, bewertet. Obwohl schon so viel da ist, verschwand das Projekt in einer sehr tiefen Schublade. Aber nun sind Semesterferien und ich bin höchstmotiviert.
    Masterarbeit ist auch nicht schlecht. Wie lange hast du noch?
    Liebst, Lina

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