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Richtungsverändernde Begegnungen

Richtungsverändernde Begegnungen

 

Ein Sonntagnachmittag. Zur Pinakothek spazieren und dazwischen länger als nötig im Tambosi verweilen, bei noch warmes Croissant und frisch gepressten Orangensaft die Dame beobachten, die älter scheint als sie ist und ein wenig zu früh an ihrer Weinschorle nippt. Über Bilder sprechen. Wie sie den eigenen Blick auf die Welt zeigen, wie man sich selbst zeigt in Bildern, weil immer etwas von einem selbst durch sie hindurchscheint. Und auf einmal habe ich wieder Lust und Mut durch den sanften Anstoß. Greife zur Kamera, die ich so viele Monate vernachlässigt habe, weil der Zugang fehlte und drücke den Auslöser. Danke Annett.

Ich will nur den Schlüssel abholen. Schließlich kennt man sich kaum. Ein zwei kurze Hallos und lose Gespräche. Freunde von Freunden. Und dann wird aus dem kurzen Kaffee ein zweiter und noch ein Tee und es entspinnt sich ein Gespräch über den Osten und den Westen, das Leben und was man will und was nicht und wie schwer es ist, das eine vom anderen zu unterscheiden. Was eine Sache von fünf Minuten hätte sein sollen, ist zu ungeplanten 2 Stunden geworden. Ich wollte den Schlüssel abholen und habe mich so zu Hause gefühlt. Danke Brise und Nance.

Keine Reservierung klappt, nirgends ist ein Tisch mehr frei, nur dass das irgendwann egal ist, weil mir schwingt der Kopf vor lauter Wissen und der Husten hört nicht auf und meiner Stimme tut dies alles gar nicht gut, aber die Neugier ist groß und die Faszination über Gedankensprünge. Über Algorithmen und Ethik, Hannah Arendt und Social Media, Buckminster Fuller und mansplaining und dazwischen Franziska zu Reventlow und Science Fiction. Noch am Abend möchte ich Paper um Paper herunterladen, um anzuknüpfen im Kopf.

Der Taxifahrer erzählt von Afghanistan, von seinen Nichten und Neffen und korrupten Politikern. Dass es so kalt sei dort im Winter und gestern schon geschneit hätte. Der in Berlin, dass er auch an der FU studiert hätte. Genau wie seine Frau, seine Ex, die immer noch einmal einen Abschluss machen musste und so unerbittlich sich selbst gegenüber war, dass die Härte irgendwann auf ihn übergriff. Da ist er gegangen und jetzt fährt er Taxi und das sei gut so. Keine Lust mehr auf diese ganze Leistungssache.

Die vielen kleinen Begegnungen. Die ungeplanten, die ganz anders verlaufen als gedacht. Die in der Summe einen Unterschied machen und am Ende ein Leben ausmachen. Wer immer sie mir über den Weg schickt, hat einen vortrefflichen Geschmack, Humor und eine ganz eigenen Orientierung, denn immer haben sie meine kleine Welt ein wenig verrückt, eine andere Richtung gegeben.

Daran musste ich denken in den letzten Tagen, weil der Lauf der großen Welt mir gerade zu übermächtig scheint. Und bis ich weiß wohin, halte ich mich daran fest und freue mich auf und über jeden, der mir über den Weg läuft.

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