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aufgelistet: Kleine Sequenzen und lange Gedankenstrecken

aufgelistet: Kleine Sequenzen und lange Gedankenstrecken

Irgendwann Ende September lag ein Umschlag im Briefkasten. Zwischen den üblichen Rechnungen und der Krankenkassenwerbung mit dem neuen Tarifangebot gab es Post von Lina. Ein kleiner Gruß und ein sorgsam ausgeschnittener Zeitungsbeitrag. Ein Bericht über Roger Willemsen, den ich doch so mochte. Der Artikel war schön. Aber noch schöner das Wissen, dass jemand ihn gelesen und an mich gedacht hatte. Ausgeschnitten, in einen Umschlag getan, eine Notiz dazu, Briefmarke drauf und zur Post getragen.

Nicht nur an jemanden zu denken, sondern den Schritt weiter zu gehen und es zu sagen, zu schreiben, kundzutun. Es sind die kleinen Dinge.

Einige Dinge, manche kurz, manche lang, bei denen ich an jemanden gedacht habe, die ich verschickt habe, weil ich dachte, es könnte erfreuen.

+ dieses Lied: Herzwärts. Herzwärts ist eigentlich immer eine gute Richtung.
+ dieser Text: Der Schriftsteller Friedrich Ani schreibt seinem Vater, der kaum redet. Mehr muss man nicht wissen, über das Schweigen und das ewig verbunden sein.
+ dieses Gespräch zwischen Richard David Precht und Werner Schmidbauer. Während sie wandern.
Gemeinsam gehen und reden, eines der schönsten Dinge. Unterhaltungen während des Gehens, sind anders als am Tisch. Es muss nicht immer etwas gesagt werden. Schweigen ist angenehmer, wenn man dabei läuft. Das Ziel steht fest, weshalb vielleicht nirgends anders Gespräche so herrlich ziellos sein können. Und persönlich in diesem Fall.
+ noch ein Lied: Eines über das nichts machen und doch machen.
Du kannst nicht nichts machen.
+ diese kleine Videosequenz: Vater und Sohn sind beide für den Schauspielpreis nominiert. Das kann ungut ausgehen. Unschön enden. Vater und Sohn, Mutter und Tochter, überhaupt Familie – das ist zu viel versteckte Konkurrenz, wo vermeintlich keine sein darf und sein sollte. Zu viel Ungesagtes. Aber nicht hier. Liebevoll.
+ Oliver Kahn liest “der Panther” von Rilke. Dem muss man ein wenig Zeit geben, um dann überrascht zu sein, traurig und auf eine eigene Weise sehr berührt.
+ Zwischen den Jahren habe ich den Film über Astrid Lindgren gesehen. Über ihre Anfangsjahre. Was ich alles nicht wusste über sie. Lust auf mehr. Habe eine Dokumentation gefunden und mich in das Lied von Ane Brun verliebt. Es läuft zum Abspann und ich kann kein Schwedisch, aber es handelt vom mutig sein, vom springen, vom losrennen ins Leben, auch wenn einem nicht danach ist.
+ Christoph Niemann hat es mir auch sehr angetan. Im Münchner Literaturhaus gibt es gerade eine Ausstellung von ihm, aber man bekommt auch in diesem Vortrag einen Eindruck von der anderen Art zu sehen. Großartig. So großartig.
+ Am Jahresendbilanzieren scheiden sich die Geister. Ich mag diesen Text von Judith Holofernes. Weil es nicht ums Bilanzieren und mehr machen geht, sondern ums Wünschen, ums Wagen, ums Träumen. Und aufschreiben hilft. Noch ist Jahresanfang. Noch ist es nicht zu spät. Wobei. Das ist es nie.
+ Was seine Freunde sagten, was Roger Willemsen ausmachte, muss auch geteilt werden “…der kritische Blick, ein virtuoses Sprachvermögen, innere Freiheit und manchmal Übermut, die kluge Unterhaltung und das tiefe Verständnis für das Menschenmögliche, die Künste und den Mangel, aus dessen Empfinden große Kunst entsteht.”
Er war ein außergewöhnlicher, großer Mensch mit einer unbedingten Haltung. Neben ihm zu sitzen, machte glücklich. Ihm zuzuhören ging einher mit einem sofortigen Frieden, es war ein Bad in Klugheit, Verschmitztheit, alberner Hochintelligenz, Bildung und Wärme. Ein Höchstmaß. Er stärkte, war ein trauter Zuhörer, fand für Dinge Worte, die einen verblüfften, er war der Freund, für den man das Leben liebt.”

Liebt das Leben. Eure Freunde. Denkt an sie. Träumt groß. Seid freundlich. Zu Euch selbst und den anderen. Wünscht viel. Macht mehr und von anderem weniger. Habt es gut.

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