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Irritationsgefahr

Irritationsgefahr

Wenn es irritiert, ist es gut. Im Alltag mag das selten passieren und wenn ist es ein Ärgernis, weil alles darauf angelegt ist durchzurutschen, zu flutschen, reibunglos abzulaufen und zu funktionieren. Kinder wissen das noch nicht, fügen sich noch nicht ein in die vorgegebenen Abläufe und bringen sie so aus dem Takt. Kunst kann das oft. Und manches Mal Bücher.
Eins im Andern ist so eines. Es irritiert nicht abrupt. Es beginnt mit dem Alltäglichen. Die Kinder müssen in den Kindergarten gebracht werden, der Hund ausgeführt, die Wäsche aufgehangen werden. Die Arbeit am Schreibtisch, ein kleiner Mittagsschlaf. Der normalen Lauf der Dinge. Dann kommt eine Nachricht, die des Selbstmordes ihrer ersten großen Liebe. Auf einmal geben Erinnerungen einen neuen Rhythmus vor. Sie erinnert sich an ihre vergangenen Lieben. Wie eine Matrojschka nimmt sie Schale um Schale auseinander und verfolgt den Weg, der sie dort hingeführt hat, wo sie heute ist. Sie verliert sich ein wenig dabei.

Ich mochte dieses Buch. Es entwickelt einen Sog, weil es so verwoben ist. Die nächste Biebung, die die Geschichte nimmt, kann immer nur erahnt werden und dann dreht sie sich und nimmt doch eine neue Wendung. Die Erzählerin gräbt tiefer, auch wenn es weh tut. Lässt keine Ruhe und ist unnachgiebig im Erforschen ihrer Selbst. Das irritiert. Es verstört, weil so tiefe Einblicke selten sind, weil die Erzählerin sich verliert, aus dem Takt gerät und nicht mehr in den Alltag passt. Ich habe mich auch ein wenig darin verloren, darüber die Zeit vergessen und einen herrlich langes Wochenende damit auf dem Sofa verbracht. Es hat mich irritiert, es war manches Mal unangenhm zu lesen, aber hat mich nicht losgelassen. Und das war gut so.

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