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Neues von der Front und eine Ode auf das Lernen

Neues von der Front und eine Ode auf das Lernen

002112Gestern war wieder einer dieser Tage, da lief es. Es war im Fluss. Besser noch: Es ist ein wenig wie ein Rausch. Und das ist es wirklich. Ich kann mich an eine Zeit erinnern, als ich mitten in der Abschlussprüfung war und es waren nur noch sechs Wochen und ich verbrachte den Großteil der Stunden über den Büchern. Das ist ein wunderbarer Cocktail. Einer aus leichter Panik, die zum konzentrierten Denken, Lesen und Lernen zwingt und keine Ablenkung durch Internet, Cafebesuche oder nicht-wissenschaftliches Lesen duldet. Kein schnelles Mails checken oder mal kurz bei instagram vorbeischauen. Da entsteht bei mir so eine Wachheit und Klarheit in den guten Momenten, eine Art von gesteigerter Aufmerksamkeit, eine Fokusiertheit im Kopf, weil für Alltagsgedanken, Einkaufslisten und kreisendes Sorgen kein Platz mehr ist. Vollkommene Selbstvergessenheit, absolute Konzentration. So muss es sich anfühlen, auf Koks zu sein.

Am Anfang ist da dieser Berg und nichts macht Sinn, aber wenn sich langsam, sehr langsam Zusammenhänge erschließen, etwas klar wird, warum es so sein muss, dann ist das ein berauschendes Gefühl. Eines, das mehr will. Noch mehr sehen, noch mehr wissen, noch mehr verstehen. Ich öffne eine Tür und dann ist da ein Raum und es gibt noch mehr zu sehen und zu entdecken.
Hätte mir einer in der Schulzeit gesagt, dass es auch so sein kann, ich hätte ihm nicht geglaubt.

Nach ein paar Stunden dann ein Gefühl von Müdigkeit und Schwere im Hirn. Wie Muskelkater. Als hätten die Synapsen zu viel und zu lange getanzt. Und es gibt einen Unterschied zwischen der Müdigkeit durch Routine und Alltägliches und der, wenn der Geist gefordert wurde. Es ist eine leichte Schwere, weil ich weiß, woher sie kommt. Die müden Muskeln, die ich nach dem Laufen, habe. Die Kopfarbeit und das Laufen. Sie haben so vieles gemeinsam, weshalb ich unbedingt das Buch von Murakami nochmals lesen muss.

Das war gestern also ein großartiger Tag und der heutige kann als solala bezeichnet werden. Müde, ohne viel gedacht zu haben und hoffnungslos dem Prokastinieren anheimgefallen. Aber auch das mit vollem Einsatz.

* Es gibt einen kostenlosen Kurs zu belegen. Mache ich gerade. Jodel-Diplom kann jeder. Zertifiziertes Prokastinieren ist die Kunst. Man weiß nie, wann man das nochmal brauchen kann.

* dieses Buch gelesen. Von Kathrin Passig und Sascha Lobo. Und ich kann sagen: Es hat einen wunderbarer Effekt. Sie schreiben, dass ihr realistisches Minimalziel ist, dass man nach der Lektüre des Buches nichts an seinem Leben ändert, sich aber besser fühlt als vorher. Gelungen. Wenn ich schon gelernt habe, mir vor Augen zu führen, was ich alles schaffe, dann ist dieses Buch noch mal ein Extraschuss Balsam für die Seele. Zwar basierend auf der niederen menschlichen Motivation, dass die Tatsache, dass andere noch viel schlimmer sind als ich selbst, aber sei es drum. Sie berichten von abgestellten Telefon, Wasser oder Strom, weil Briefe nicht geöffnet wurden, abgeschleppten Autos, weil KFZ-Versicherungen übersehen wurden und dagegen scheint mir mein stundenlanges Internetsurfen und lange will-ich-irgendwann-mal-machen-aber-morgen-ist-auch-noch-ein-Tag-Listen führen lächerlich.
Das Buch kann aber noch mehr, weil es natürlich gut recherchiert ist und die Grundsatzfrage nach guter Arbeit stellt, die nämlich immer selbstbestimmt und frei gewählt ist. Dass die Mär der dauernden Beschäftigtsein vergisst, dass in denen des Nichtstuns auch viel getan wird und die sehr gute Strategie der “Sprungbrett-Prokrastination”. So wie im Kampfsport die Energie des Gegners genutzt wird, um ihn auf die Matte zu werfen, so nutzt der gute Prokrastinator das Aufschieben der einen Tätigkeit um eine andere zu erledigen.

* Das macht auch Ira Glas so. Während man etwas anderes tun sollte, kann man sich ansehen, wie andere so arbeiten. Und weil er so etwas Wunderbares gesagt hat,darüber, warum es lange braucht, bis man mit der eigenen Arbeit zufrieden ist, lasse ich das zum Schluss stehen.

Und gehe jetzt mal was anderes machen.
Also das, was ich eigentlich tun sollte.

“Nobody tells this to people who are beginners, I wish someone told me. All of us, who do creative work, we get into it because we have good taste. But there is this gap. For the first couple years you make stuff, it´s just not that good.
It´s trying to be good, it has potential, but it´s not. But your taste, the thing that got you into the game, is still killer. And your taste is why your work disappoints you. A lot of people never get past this phase, they quit. Most people I know who do interesting creative work went through years of this.
We know our work doesn´t have this special thing that we want it to have. We all go through this. And if you are just starting out or you are still in this phase, you gotta know its normal and the most important thing you can do is do a lot of work. Put yourself on a deadline so that every week you will finish one story.
It is only by going through a volume of work that you wil close that gap, and your work will be as good as your ambitions.
And I took longer to figure out how to do this than anyone I´ve ever met.
It´s gonna take awhile.
It´s normal to take awhile.
You´ve just gotta fight your way through.”

 

View Comments (3)
  • oh ja
    ich vermisse es
    das lernen für die uni
    10 std in der bib zu sitzen und sich durch texte zu quälen
    ich vermisse meine vorlesungen sooo sehr
    meine tägliche dosis hirnfutter
    und genau wie du es beschreibst
    diese aufmerksamkeit
    das sein in der parallelwelt

    geniess die zeit dafür

  • Liebe Lyra, dann macht man irgendwas. Wenn die Inspiration nicht kommt, mach einfach etwas Mittelmäßiges, habe ich mal gelesen. Und das sage ich hinter der, jetzt auch zwei eher unproduktive Tage liegen. Aber wenn es gelingt, dann ist es eben so groß. So groß. Und zu wissen, dass es geht und dass es das gibt, ist viel wert.

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