27. Februar

klar sehen

108197Es gibt einen Abschnitt, den habe ich in der letzten Woche immer und immer wieder gelesen.

„Sag es, und zwar sofort.
Nie mehr im Leben wird es so sein wie jetzt, das weiß ich.
Ich werde dich bitten, die Musik leiser zu stellen, damit ich arbeiten kann, und du wirst sie bei jedem „Bitte“ lauter drehen. Es wird mir gefallen, wenn du dir Sorgen machst, und es wird mir gefallen, dir Grund zur Sorge zu geben, um es mir immer wieder bestätigen zu lassen. Du wirst eine meiner Vertraulichkeiten benutzen, um mich zu verletzen, und ich werde es bereuen, dir etwas anvertraut zu haben. Hassen werde ich dich, weil du mich so gut kennst. Wenn ich einsehe, einen Fehler gemacht zu haben, werde ich dir am nächsten sein; es wird meine Art und Weise sein, dich um Entschuldigung zu bitten. Sollten wir eine Tochter haben und sollte sie mitten in der Nacht aufwachen, weil „da schreckliche Monster sind“, werde ich weiterschlafen, und du wirst schlicht fragen: „Wo?“ Aus einem Drama wirst du eine Lappalie machen und aus einer Lappalie ein Drama. Ohne diese Kunst zu beherrschen, werden wir Spielchen spielen und einander verlassen. Halb leere Koffer, drei Unterhosen, ein Hemd und die Drohung, nie wiederzukommen. Je stärker wir tun, desto schwächer sind wir. Nie würdest du den Salat waschen, den man dir im Supermarkt als gewaschen verkauft hat, und die Badewanne wirst du immer erst verlassen, wenn sich an deinen Fingerkuppen die Haut wellt.
Ich weiß, dass du nicht immer sein wirst wie jetzt.
Ich weiß aber, dass ich mich, wenn ich es jetzt nicht tue, immer fragen werde, wie es gewesen wäre. Ein Zurück gibt es nicht.“

aus: Wörterbuch der Liebe von Giulia Carcasi

Ich mag das. Es ist der schönste Antrag, den es gibt. Weil er klar sieht. Nicht rosa. Trotz aller Träumereien weiß ich, dass die Realität oftmals eine andere ist. Aber auch keine schwarze.
Das ist er doch, der wahre Realitätssinn. Was meine rosa Weltsicht nicht verdunkelt und meine Traumwelten nicht schmälert. Das einzige was zählt, ist die Kunst, sehenden Auges bereit zu sein die Konsequenzen zu tragen. Aus dem Wissen heraus, das nichts schlimmer wiegt als die eigene Feigheit und ein ewiges was-gewesen-wäre jegliche Leichtfüssigkeit nimmt.
Eine sehr klare Sache.

5 Responses

  1. eni sagt:

    so wunderbar. echt und ehrlich.
    schnörkelos. vielleicht mag gerade das – sie so besonders.
    die worte. die liebeserklärung an das was wirklich ist.
    ich mags.

    liebgruss
    eni

  2. nordendblume sagt:

    ja wunderschön!
    – offenen Auges und Herzens Dinge tun um sie zum Leben zu erwecken, weil man sie gewagt hat und ihnen somit einen Platz in der eigenen Geschichte geben

  3. tine sagt:

    ich mag das auch
    irgendwie hart
    und doch gar nicht
    einfach nur ehrlich

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