Übergriffiges Essverhalten
Es war bei einem Sommerfest. Meine erste richtige Stelle. Kein Praktikum mehr oder Werksstudentin, sondern jetzt ganz offiziell mit eigenem Schreibtisch und Visitenkarte. Noch in einer anderen Branche, als in der, in der ich heute bin, aber das ist relativ egal, denn Menschen erklären, wie man Dinge schneller, besser und anders macht funktioniert in jeder Industrie mehr oder weniger gleich.
Auf jeden Fall erzählte einer eine Geschichte. Von einem der auch berät. So viel, dass er nie da war und seine Freundin das nicht mehr länger mitmachen wollte und das Ende der Beziehung verkündete. Woraufhin er anbot, dass Problemfeld erst einmal genauer zu analysieren und einzukreisen.
Es wurde gelacht. Ein wenig verhalten, würde ich sagen, was daran liegen kann, dass es auch damals schon fast nur Männer waren und nicht ganz klar war, ob ihnen dass vielleicht wirklich als eine effiziente Option für manches Beziehungsgespräch schien. Was mir aber nachging ist die Tatsache, dass das was man mindestens acht oder manchmal eben auch zwölf Stunden am Tag macht, natürlich Spuren hinterlässt, nicht nur in der Sprache und ich mich nur schwerlich dagegen verwehren kann. Damals fiel der Entschluss immer den Ausgleich zu wahren, völlig Gegenteiliges zu lesen und den Rhythmus, die geltenden Gesetze und das Diktat der Arbeitswelt nicht in alle Bereiche meines Lebens einziehen zu lassen. Was mitunter schwer fällt, denn was ich tue, das tue ich sehr gerne. Und zu glauben, das lange Beschäftigung mit einem Thema einen nicht prägen würde, wäre naiv. Und dann ist die Gefahr groß überall Effizienzpotenziale zu sehen. In Telefonaten, die zu lange dauern, beim Liebeskummerklagen der Freundin, beim Warten an Supermarktkassen – in jeglicher Situation, wenn jemand etwas verrichtet und ich nicht aufpasse, merke ich, wie ich ungeduldig werde und er da ist, der Gedanke, wie es anders, schneller, besser gehen könnte. Was falsch ist. Weil anders und schneller es im wirtschaftlichen Kontext mitunter besser macht. Im privaten aber nicht.
Das lerne ich, um es wieder zu vergessen, weil sich Gewohnheiten einschleichen und ich denke, dass ich keine Zeit habe auch noch an so etwas zu denken, was überhaupt der größte Trugschluss von allen ist.
Und deshalb mache ich ab und zu Schokoladentrüffel. Die ich zum Abendessen verspeise. Oder zum Frühstück. Weil es unvernünftig ist, weil es gegen jegliche Ernährungsregeln verstößt, weil es mir so etwas von egal ist und weil es die kleinen Rebellionen sind, die zählen oder die zumindest ein Anfang sind. Weil ich nicht Kaffee trinken möchte, um mehr wach zu sein, sondern weil er gut schmeckt. Weil ich nicht noch etwas lesen möchte, um mithalten zu können und um als informiert zu gelten, sondern weil es mich interessiert. Weil ich nicht studieren möchte, um mit einen weiteren Punkt im Lebenslauf zu glänzen, sondern weil der Kopf rege sein soll und bewegt werden will – manches Mal auch von anderen Dingen als Business-Cases und Portfoliostrukturen.
Weil Trüffel Trüffel sind und gut schmecken, leicht bitter, übervoll.
Ach, einfach darum. Weil sie meine Erinnerung daran sind, dass das Leben kein Wettbewerb ist, sondern ein großes Geschenk. Eine einzige riesige Trüffelpraline, die sich nur minimalst optimieren lässt.
Zweckmäßig, damit es dann einer in die Linie bringen kann, wäre ein Rezept.
Hier ist es.
* 200 Gramm Zartbitterschokolade
* 2 Esslöffel Tahini
* 3 Teelöffel Mandelmilch
* etwas Honig
* Sesam
Die Schokolade über dem Wasserbad schmelzen. Gegen Ende Tahini vorsichtig unterrühren, die Mandelmilch und den Honig dazugeben (je nachdem wie süß man es mag), so dass es nicht zu sehr stockt. In den Kühlschrank zum Kühlen geben für eine Stunde. Leicht warm werden lassen, Kugeln formen und in Sesam wälzen. Im Kühlschrank aufbewahren.
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Trüffel sind tatsächlich eine gute Maßnahme gegen sämtliche Alltagsverfahrenheiten und Gewohnheitstiermomente. Das Rezept wird für den nächsten solchen Moment direkt mal an den Kühlschrank gepinnt.
Hey,
glaubst du sie schmecken auch ohne Mandelmilch sondernder mit Kuhmilch? Sie hören sich nämlich so unglaublich lecker an…
Hab einen entspannten Wochenstart
Liebe Anne,
klar. Ich habe da sehr wild gemischt. Ist einfach eben sehr schokoladig und durch das Sesam nochmals anders. Habe jetzt jede Woche eine Portion gemacht und die war immer schnell weg.
Liebe Grüße
Stephanie
Die sehen aber gut aus. Ich habe seit Monaten eine ganze Flasche Mandelmilch im Schrank und jetzt endlich eine Idee wofür ich sie verwende. Runde Sache. Danke